Stefan Skowron
Alfred Kaufner ist kein Maler des althergebrachten, die Welt replizierenden oder sie kommentierenden Typus.
Ja, er malt nicht einmal, setzt nicht mit dem Pinsel Strich an Strich und Farbe auf Farbe, glaubt nicht an Duktus und zwingt weder Körper noch Landschaften in die zwei Dimensionen eines Bildes. Aber er denkt, wie ein Maler denken sollte, sucht mit jedem neuen Bild nach der Lösung der Aufgabe, die die Kunst seit langem beschäftigt: ein Werk zu schaffen, das nicht, weil es einem Stil zugehört oder so ännlich ist wie andere, seinen Gegenüber überzeugt, sondern weil es eine eigene Sprache, ein eigenes Vokabular entwickelt, und weil es ein neues Sehen verlangt, unverstellt von Traditionen und manifesten Meinungen.

Räumen wir also einen Irrtum aus der Welt: Auch wenn es uns so ganz gut gefallen möchte, Alfred Kaufners Bilder sind keine Abstraktion von einem oder von etwas.
Weil sie nichts, was wir identifizieren könnten, verkürzen, auflösen oder auf eine Formel reduzieren. Das assoziative Sehen, das Wieder-erkennen-wollen von Körpern und Räumen, es führt uns nicht weiter als bis zu der Einsicht, dass diesen Bilder eben keine funktionale oder körperliche oder landschaftliche Erfahrung als Vorlage diente. Diese Bilder sind voll Farbe, ja. Auch weisen sie Lineaturen auf, manche tragen sogar ein Raster, sie haben Flächen und Strukturen oder offenbaren ihr Material. Aber sie sind auch die Einheit, ein Kolorit, aus dem Licht, ein Glimmen, Schimmern und Leuchten bildweit in schmalen, verzagten horizontalen Haarrissen und sich verlierenden Inseln hervorbricht.

Zwar prägt sich ein rhythmischer und serieller Impetus dem Betrachter ein, was den Bildern eine gewisse formale Strenge zu Eigen gibt und zur Suche nach der Realität hinter der Abstraktion führt.

Doch es ist ein weiteres kompositorisches, mithin ein ästhetisches Mittel der Bilder, in letzter Instanz nicht völlig plan und abgeschlossen monochrom daherzukommen, sondern bis ins Innerste durchzogen von mikroskopischen Verwerfungen und reinsten Pigmentufern. Dieses, aus zahllosen Ebenen aufeinander stehender Zeilen formulierte (grafische) Programm wirkt wie ein Bild im Bild, ist eine Zeichnung vor/über dem Farbraum. Und es evoziert die Vorstellung einer ins Unendliche reichenden Tiefe. So werden aus anfangs zwei dann drei mit den Augen erlebbare Dimensionen.

Bilder wie diese brauchen lange, um zu entstehen. Nur wenige schafft Alfred Kaufner im Jahr, denn der Prozess ähnelt in umgekehrter Manier dem des Archäologen, der Schicht für Schicht und damit Zeitalter für Zeitalter mit Spachtel und feuchtem Schwamm von einem Fundstück abträgt.

Alfred Kaufner trägt auf, schichtet, schleift und verbindet, verwebt förmlich die Lagen aus Pigment und Faser und Glas und Bindemittel zu einem Ganzen. Sogar bei den Dyptichen, wo auf einer Seite kleine Stifte in einem wolkigen Farbvolumen ein aufgelöstes Quadrat umschreiben, geht dieser Eindruck nicht verloren. Alles was ist, scheint so immer schon gewesen zu sein; was wir sehen ist ein Farbvolumen, ein Bildkörper, aber kein Abbild.

Angesichts dieser Bilder stößt der Interpret an seine Grenzen. Um sie zu beschreiben, muss er nach den besonderen, ungenannten Worten suchen. Weil Deklamation nicht taugt, zu viel wäre, und zu laut. Begriffe wie Behutsamkeit, Gravität, Bescheidenheit kommen ihm in den Sinn, die in der Kunst der Gegenwart eigentlich nicht so recht Platz nehmen wollen.
Hierhin jedoch gehören sie.